Die Beruflichen Schulen in Ahornberg informieren über Ess-Störungen. Eine Ausstellung zeigt, wie man sie erkennen und ihnen begegnen kann.
Von Helmut Engel
Ahornberg – Unter dem Titel „Klang meines Körpers“ zeigen die Beruflichen Schulen in Ahornberg eine Ausstellung zum Themengebiet Bulimie, Anorexie und Binge Eating. Sie klärt auf über Probleme mit dem Essen und was dahinter stecken kann, welche Signale erkannt werden sollten und wie man sich wieder befreien kann. Die Ausstellung will kreative Wege aus diesen Ess-Störungen zeigen.
Landrat Dr. Oliver Bär sagte bei der Eröffnung, dass man sich beim Landkreis in der Hauptsache mit Maßnahmen beschäftige, die die Allgemeinheit betreffen wie den Krankenhausbau, den öffentlichen Nahverkehr oder auch Radwege. Man beschäftige sich aber auch mit Themen, die Einzelne betreffen. Er sei der Kreisjugendpflegerin Petra Schultz dankbar, dass sie die Ausstellung hierher geholt hat, fuhr der Landrat fort. Meist gehe man an solchen Themen achtlos vorüber, weil es einen selbst nicht betrifft: „Wir verschließen die Augen, dabei würden viele Hilfe benötigen. Wir müssen alles versuchen, müssen jedem helfen, der Hilfe sucht, weil er nicht alleine herausfindet.“ Man sollte, schloss der Landrat, ein waches Auge auf den Nachbarn werfen und das Thema nicht unter den Teppich kehren.
Schulleiterin Thea Wachter freut sich, eine so hochkarätige Ausstellung im Haus zu haben: „Hier ist auch der richtige Ort dafür.“ Früher sei das Thema Ess-Störungen nicht aktuell gewesen, heute gehöre es dazu, sich damit auseinanderzusetzen. Auch Schüler und Studierende ihrer Schule seien schon betroffen gewesen. „Wir müssen hier neben Wissen auch Werte vermitteln und uns mit Leistungsanforderungen der Gesellschaft auseinandersetzen”. In der Ausstellung würden Geschichten erzählt, „die uns zum Nachdenken bringen“.
Mit der Heilpraktikerin für Psychotherapie Gertraud Fischer berichtete eine ehemals Betroffene, die danach eine Selbsthilfegruppe gegründet hat, über ihre Erfahrungen. Eine Essstörung, sagte sie, sei eine psychosomatische Erkrankung, „die im Stillen und Geheimen abläuft“. Der erste Schritt heraus sei sehr schwierig und mit Angst und Scham verbunden. Dies könne nicht jeder verstehen; es habe mit Zwang zu tun und brauche Behandlung. Jeder fünfte Jugendliche würde Auffälligkeiten zeigen, und das beginne schon im Kindergartenalter. „Die Zahlen steigen, und die Dunkelziffern sind sehr hoch.“
Hilfe
Die Ausstellung in den Beruflichen Schulen Ahornberg ist bis zum 24. Oktober geöffnet.
Insgesamt wollen 20 Schulen aus dem Landkreis die Ausstellung besuchen, sie ist aber auch für die Öffentlichkeit zugänglich.
Die Selbsthilfegruppe für Menschen, die an Bulimie, Anorexia Nervosa oder Ess-Sucht leiden, trifft sich jeden ersten und dritten Mittwoch bei Gertraud Fischer in Schödlas bei Münchberg.
Anmeldung unter der Telefonnummer 09256/1786 oder per E-Mail unter gertraudfischer@gmx.de.
Die gefährdetste Gruppe seien sehr pflichtbewusste und leistungsorientierte Mädchen am Gymnasium. Weniger betroffen seien wahrscheinlich die Ahornberger Schulen, denn „hier wird Körperwahrnehmung gelehrt und praktiziert, da werden Seele und Emotionen bewegt“.
Ihr selbst habe eine Maltherapie geholfen und ihr psychosomatisches Problem gelöst. Deshalb setze sie auch bei ihren Klienten die Maltherapie ein. „Hier kann man vieles ausdrücken, was in einer Gesprächstherapie nicht möglich ist. Farben machen es möglich.“ Bei der Suche nach Verantwortlichen dürfe man nicht Eltern oder der Gesellschaft die Schuld geben, man müsse selbst Verantwortung übernehmen. „Neben Mal- und Gesprächstherapie gibt es auch eine Familientherapie, weil eben das ganze System betroffen ist, auch die Geschwister.“
Auch in Schulklassen ließe sie darüber reden, besonders, „wenn jemand betroffen ist“. Etwa fünf bis sechs Schüler einer Klasse seien vom Schlankheitswahn dies, aber nicht nur Magersucht sei eine Ess-Störung, auch die Ess-Sucht gehöre dazu. Meist seien es zarte, verletzliche Menschen, derer man sich annehmen müsse, damit sie ihre emotionale Krise überwinden können. Die Psychotherapeutin dankte allen jungen Menschen, die zur Ausstellung beigetragen hatten. Dies sei unheimlich mutig von ihnen. „Sie freuen sich wie ich aufs Leben und darauf, von unseren Erfahrungen zu erzählen, um damit anderen zu helfen.“
Die Ausstellung, die in Bamberg zusammengestellt wurde, zeigt die Schicksale junger Frauen, die sich im Rahmen einer musiktherapeutischen Gruppe kennengelernt haben. Mädchen und Frauen mit Ess-Störungen seien meist ausgesprochen fantasievolle und kreative Menschen. Diese Kreativität strahlt auch die Ausstellung aus; sie gibt Einblick in ihre Ängste und Nöte, aber auch in ihre Wünsche und Sehnsüchte. „Dabei wird deutlich, wie eng Ess- Störungen mit dem Hunger nach Leben verbunden sind“, beschreibt Projektinitiatorin Stephanie Lahusen die Situation der Betroffenen.
Helmut Engel: Auswege aus einer geheimen Krankheit
In: Frankenpost, Münchberg Helmbrechtser Ausgabe, 14.10.2017, S. 15